12.03. bis 09.04.
jeden Donnerstag 17-19 Uhr
My Favorite Game…
Hakan Eren
Hakan Eren ist Bildhauer und arbeitet mit vielfältigen Medien, vor allem in Form von Skulpturen, Objekten und Collagen, aber auch von Zeichnungen. Für die Ausstellung in der Baustelle Schaustelle hat Eren eine Zusammenstellung von Objekten mit einer Serie von Zeichnungen konzipiert: u.a. ein Dreirad mit Hupe und Axtklinge, ein an ein Amazon-Paketzentrum gemahnendes bühnenhaftes Arrangement von Marionetten-Kontrollarmen und ernste Harlequins. Den Objekten, die Eren zeigt, gemeinsam ist der Fokus auf die zeitliche Unmittelbarkeit in der Anmutung handwerklicher Spielzeugelemente aber auch auf das Ineinander von Präzision und Improvisation in der Konstruktion, den spielerischen Gebrauch und die Kontrolle mechanischer Abläufe. Diese Arbeiten präsentieren so eine Logik, die kennzeichnend für die Form des Spiels ist: Spiele haben für üblich einen festen Rahmen an Regeln, innerhalb derer sich ein freier Ablauf entfaltet, der das Spielen des Spiels ausmacht. Gleichwohl ist die Antwort darauf wer spielt — Akteur oder die Regeln des Spiels — weniger klar als es den Anschein haben mag. Wer tut, wer guckt, was passiert dabei? Erens Zeichnungen zeigen allesamt als Clowns gekleidete Kinder, von denen keines besonders freundlich oder gar glücklich aussieht. Die traurige Seele eines Pierrot war noch nie um ihretselbstwillen von Interesse. Darin steckt ihre Tragik, der sich hinzugeben nur die dümmste Romantik wagen kann. Erens Clowns eignet dagegen ein widersprechendes Moment, das sich gleich entfalten wird. Du guckst mich zwar an, aber mir gefällt nicht, was du siehst; ich habe darum meinen eigenen wunden Punkt, von dem ich glaube, dass du ihn dir vielleicht falsch vorstellst; warte nur, nur noch kurz. Dann wird es Dreiräder geben mit einer Axt, mit dem ziehen wir in den Krieg wie Mad Max. Wenn Busch dem unartigen Kind des 19. Jahrhunderts ein disziplinierendes Mahnmal setzte, imaginiert Eren dessen postapokalyptische Wiederkunft. Wenn das Objekt zu sprechen beginnt, wird der Blick in Frage gestellt. Erens Arbeiten scheint es um diesen Schritt zu gehen — den Schritt vor alle Regeln oder auch um den Schritt nach den Regeln. Zur Frage stehen so die Bedingungen eines Spiels, das seine Fraglosigkeit verloren hat, oder eines Spiels, dessen Regeln noch nicht feststehen.
For English version please see below
KUNSTPREIS 2024:
mit dem Thema für den diesjährigen Kunstpreis bewegen wir uns in einem zeitlichen Vakuum. Die Grenzen zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft werden in Frage gestellt, sie sind fließend und möglicherweise gar nicht mehr relevant. Was bedeuten Zeit, Entwicklung und Fortschritt in unserer derzeit so komplexen Welt?
Die vierzehnte Ausschreibung des Kunstpreises der Baustelle Schaustelle e.V. im Jahr 2024 lädt junge Künstler*innen ein, Arbeiten aus dem Bereich der Fotografie zum offenen Thema:
„In die Zukunft zurück“
einzureichen.
Die KünstlerInnen mögen ihre Gedanken in an den Raum angepasste Projekte einbringen.
Wir erwarten, dass die Portfolios uns eine Vielfalt der künstlerischen Ausdrucksformen anbieten. Die unabhängige Jury, s. u., wird ohne Beteiligung des Teams im Mai 2024 einen Gewinner-Entwurf küren. Alle Vorhaben müssen mit dem Raum in Essen, Brigittastraße 9, arbeiten und durch das Schaufenster gut sichtbar sein.
IDEE
Der Kunstpreis 2024 ist in diesem Jahr im Bereich der Fotografie und an das Thema “Zurück in die Zukunft“ gebunden. Einzureichen ist ein Projektvorhaben (Exposé), welches in einer Einzelausstellung in der Baustelle Schaustelle in Essen umgesetzt werden soll. Aus dem Exposé soll die Entwicklung der eigenen künstlerischen Arbeit hervorgehen.
TEILNAHMEBEDINGUNGEN
Die Ausschreibung richtet sich an junge Bewerber*innen bis einschließlich 35 Jahre zu Ausstellungsbeginn.
Der/ die Gewinner*in verpflichtet sich, eine Ausstellung (Eröffnung September 2024) in der Baustelle Schaustelle Essen zu realisieren. Anlässlich der Eröffnung findet eine Einführung statt. Außerdem wird der/ die Gewinner*in die Arbeit in unserer Reihe ZU GAST in Form eines Vortrags, Künstlergesprächs, Performance o. ä. vorstellen. Der/ die Gewinner*in ist dafür verantwortlich, sich um eine/n Rednerin/den Redner für die Einführungsrede sowie etwaige Gesprächspartner*innen für das ZU GAST-Gespräch zu kümmern. Wir weisen darauf hin, dass es dafür kein Budget über den Kunstpreis Gewinn hinaus gibt.
BAUSTELLE SCHAUSTELLE e. V.
Der Projektraum Baustelle Schaustelle ist ein Raum für junge zeitgenössische Kunst. Seit Herbst 2007 werden hier Arbeiten internationaler Positionen gezeigt. Anfangs als temporäre Versuchsplattform gedacht, hat sich der nicht-kommerzielle Projektraum in der Brigittastraße in Essen als permanenter Kunstraum etabliert. Von 2010 bis 2022 erzielte der Kunstpreis bereits große Resonanz auf KünstlerInnen- und Medienseite.
PREIS
Über die Preisträgerin/den Preisträger entscheidet eine unabhängige Fachjury (siehe JURY). Das Preisgeld beträgt 1.000 Euro. Das Preisgeld wird zur Hälfte vor der Ausstellung und zur Hälfte bei/nach der Ausstellung ausgezahlt. Das ausgezeichnete Konzept wird im September 2024 in der Baustelle Schaustelle, Brigittastraße 9, 45130 Essen in einer Einzelausstellung zu sehen sein. Außerdem wird der/ die Gewinner*in die Arbeit in einem Vortrag o. Ä. in unserer Reihe ZU GAST vorstellen. Die Bekanntmachung findet ein paar Tage nach der Jurysitzung Anfang Mai statt.
BEWERBUNG
Die Kunstpreis-Bewerbung erfolgt postalisch bis Freitag, den 15.03. 29.03.2024 an
Baustelle Schaustelle
Brigittastraße 9
45130 Essen
Es zählt das Datum des Poststempels.
Zur vollständigen Bewerbung gehören:
_ formloses Anschreiben mit allen Kontaktdaten und Geburtsdatum
_ Künstlerportfolio
_ Lebenslauf mit Liste der realisierten Projekte
_ Projektvorhaben (Exposé)
Anhand der eingereichten Projektskizze soll eine aussagekräftige Arbeitsweise und somit ein Vorhaben für die Einzelarbeit in dem Raum der Baustelle Schaustelle ersichtlich werden. Raumpläne siehe https://www.baustelle-schaustelle.de/about/ueber-uns/. Das Format der Einreichungen sollte DIN A3 nicht überschreiten. Elektronische Medien wie Video, Film etc. müssen in Form eines USB-Sticks oder DVD zusammen mit einem schriftlichen Exposé eingereicht werden. Wir weisen darauf hin, dass wir keine Originale akzeptieren. Die Einsendungen können wir ausschließlich postalisch entgegennehmen. Eine Rücksendung ist nur möglich, wenn ein adressierter und ausreichend frankierter Rückumschlag der Bewerbung beigefügt ist. Für eine schnelle Kommunikation ist es wichtig, dass komplette Adressangaben mit E‑Mail und Telefon angegeben sind. Da wir keine Lagerungsmöglichkeit haben, werden Mappen, die nicht bis zum 15.08.2024 abgeholt werden, vernichtet (Abholmöglichkeiten nur nach vorheriger Absprache per E‑Mail).
JURY
Die Jury setzt sich wie folgt zusammen:
_ Christopher Muller
_ Christine Erhard
_ Dr. Thomas Kremer
_ Thomas Seelig
_ Dr. Irene Daum
_ Jana Buch
URHEBERRECHT UND VERSICHERUNG
Für die eingesandten Bewerbungen wird keinerlei Haftung übernommen. Auch für den Transport und die später ausgestellten Arbeiten kann kein Versicherungsschutz gewährleistet werden. Im Rahmen des Wettbewerbs verzichten die Einsender*Innen auf die Wahrung der Nutzungsrechte. Das Urheberrecht bleibt bei der Künstlerin/dem Künstler. Die Künstler*Innen erklären sich bereit, Baustelle Schaustelle zu Zwecken der Veröffentlichung auf der Website und in der Publikation Bild- und Textmaterial zur Werbung im Rahmen der Baustelle Schaustelle zur Verfügung zu stellen. Durch die Teilnahme an der Ausschreibung erklärt sich der/die Einsender*In mit allen aufgeführten Bedingungen einverstanden.
KONTAKT
Baustelle Schaustelle – Raum für junge Kunst,
Brigittastraße 9,
45130 Essen
und bei Fragen: kunst@baustelle-schaustelle.de
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ART AWARD 2024: “In die Zukunft zurück”
Deadline: March 15th 29th 2024
This year, the 14th open Art Award call of Baustelle Schaustelle e. V. invites young artists to submit photographs on the open topic “Zurück in die Zukunft”. The winner’s work will be shown in autumn 2024 in a solo exhibition at Baustelle Schaustelle Essen.
IDEA
The Art Award 2024 is bound to the topic “Zurück in die Zukunft”. Please submit a project (exposé), which is to be realized at Baustelle Schaustelle Essen in a solo exhibition (opening september 2024). From the exposé the development of the own artistic work should emerge clearly.
CONDITIONS OF PARTICIPATION
The open call addresses artists up until the age of 35 at the time of the exhibition. The winner commits her-/himself to realize an exhibition in fall 2024 at Baustelle Schaustelle Essen. On this day there will be an introductory speech or artist talk. The winner will also introduce his/her work further by doing a lecture, talk, performance (or other forms) in our series “ZU GAST” in Essen or Duesseldorf. The winner is obligated to organize an introductory person and possible other interlocutors. We inform that there will be no budget other than the price money.
BAUSTELLE SCHAUSTELLE
The project space Baustelle Schaustelle is a venue for young contemporary art. Since fall 2007 works by young international artists have been exhibited. The non-profit showroom in Brigittastraße, Essen which was initially intended as a temporary experimental platform, has become established as a permanent exhibition venue. From 2010 until 2022 the Art Award already received a great amount of positive feedback from artists and the media.
PRIZE
An independent jury (see “JURY”) will select the winner of the Art Award 2024. The prize money will be 1000 Euro. The winning project will be shown in a solo exhibition at Baustelle Schaustelle, Brigittastraße 9, 45130 Essen, in fall 2024. Furthermore, the winner will speak about her/his work within our series ZU GAST.
APPLICATION
The application must be submitted by post to:
Baustelle Schaustelle
Brigittastraße 9
45130 Essen
Germany
March 15th 29th 2024 (postmark date).
Complete applications must include:
_ Printed and legible cover letter incl. contact information and birthdate
_ Artistportfolio
_ Curriculum vitae with realized projects
_ Exposé (sketch or draft of the planned work)
The submitted sketch or exposé should define how the project will be realized in our showroom in Essen. For room plan please see
https://www.baustelle-schaustelle.de/about/ueber-uns/. The submitted entries should be no larger than DIN A3. Applications including electronic media must be submitted on DVD or USB storage devices together with the written exposé. Ideally they should also include a synopsis of the given electronic work (i.e. videos). We would like to inform you that we will not accept originals. Applications can only be returned if there is a stamped and addressed envelope enclosed to the application. For better communication it is important that you hand in your complete address including email- and phone contact. Since we have no storage room applications which are not picked up until August 15th 2024 will be subject to disposal (pick up dates by appointment via email).
JURY
The members of the jury are:
_ Christopher Muller
_ Christine Erhard
_ Dr. Thomas Kremer
_ Thomas Seelig
_ Dr. Irene Daum
_ Jana Buch
COPYRIGHT AND INSURANCE
Baustelle Schaustelle holds no responsibility for submitted applications. Nor can insurance coverage be guaranteed during the transportation or subsequent exhibition of the works. Furthermore, apart from the prize money, financial support for the completion or transportation of works will not be provided under any circumstances. The copyright will remain unaffected. In connection with the contest and the exhibitions, the applicant must waive all his or her rights of usage. The artist allows Baustelle Schaustelle to use text and photo material for publicity and presentation for Baustelle Schaustelle. During the course of the show the exhibited works will remain on the premises of Baustelle Schaustelle. By participating in the contest,
the applicant agrees to the conditions listed above.
CONTACT
Baustelle Schaustelle – Raum für junge Kunst, Brigittastraße 9, 45130 Essen
16.01. bis 13.02.
jeden Donnerstag 17-19 Uhr
In Kanada, Québec, befindet sich eine kleine, unscheinbare Kapelle auf einem Berg in Baie Sainte-Catherine, einem Touristenhotspot nahe dem beliebten Reiseziel Tadoussac. Das Dorf Baie-Sainte-Catherine wird im Sommer mit Tourist*innen überflutet, die zum Wale schauen mit der Fähre über die Mündung des Saguenay Flusses in den Sankt-Lorenz Strom fahren. Unbeobachtet und ignoriert von der Masse, liegt die Kapelle der Notre-Dame-de‑l’Espace, („Heilige Jungfrau des Kosmos“) Königin der Flieger, Kosmonauten und Reisenden der Lüfte. Als in Marmor abgebildete Statue steht die Jungfrau auf einer Weltkugel, umgeben von Raketen, Flugzeugen und einem Sputnik Satelliten. Sie bildet den Mittelpunkt der Kapelle.
Fotos: Jana Buch
21.11. bis 19.12.
jeden Donnerstag 17-19 Uhr (Düsseldorf)
Im Vordergrund von “Wieder kurz am Prickeln” der Künstler*innen Jana Buch & Linus Ebner steht das Aufeinandertreffen hermeneutisch konstituierter Weltbilder und die Frage, ob diese noch ernsthaft aufzubrechen sind. Anhand des berühmten Hermeneuten Marat, der seine Sicht auf die französische Revolution gegen Ende nur noch aus seiner Badewanne heraus proklamierte und den Tod von Tausenden forderte, kreiert die Installation des Duos eine Mixtur aus Text, Malerei und Video, welche Marats berühmtes letztes Aufschäumen in einer prickelnden Schleife festhält. Hier und jetzt hat ihm seine Mörderin kein Messer mitgebracht — aber Lyrik, die er uns vorträgt, halb am Rand der Wanne halb am Rand seines Lebens.
Fotos: Jana Buch
02.11. bis 30.11.
Aufsichtszeiten: jeden Mittwoch 17-19 Uhr
+++Künstlergespräch am 04.11. um 13 Uhr!+++
Echo Tongue
Ich mache Zeichnungen im Raum und transformiere sie zu collagierten Abstraktionen. Ich verwende Materialien wie Stoff, Schaumstoff und Metall. Stoff steht für mich als Membran zwischen mir und dem Anderen. Ausgangspunkt meiner Arbeit sind sinnliche Erlebnisse, welche ich als Idee auf Papier festhalte. Die Idee wird
während des Produzierens konkreter. Weiterhin verwende ich filigranen Eisenstahl, welchen ich wie eine dreidimensionale Linie in den Raum zeichne. Die Zeichnung führt zur Skulptur und umgekehrt. Buchstaben tauchen in felligen Skulpturen auf, die zu Notizen zu Intimitäten und Körperlichkeiten werden.
Danae Hoffmann
17.10. bis 14.11.
Aufsichtszeiten: jeden Donnerstag 17-19 Uhr
Siblings:
Die Ausstellung „Siblings“, zeigt eine von mir ausgewählte Serie an Bildern, die nicht speziell Geschwister oder ähnliches veranschaulichen soll. Sie soll viel eher das Gefühl, der Verbundenheit und der familiären Gefühle auslösen, welche sich entwickeln, wenn man mit Geschwistern aufwächst. Das Gefühl der Verantwortung, das Gefühl des Beisammenseins, das Gefühl des Streites und des Zorns aber auch das Gefühl der unabdingbaren Liebe. Die Arbeiten der Ausstellung „Siblings“, sollen einen exklusiven Einblick in diese von mir gewonnen Erfahrungen und Gefühlen bieten.
Künstlergespräch mit Dominik Geis am 28.09.2023 um 18 Uhr
31.08. bis 28.09.
Aufsichtszeiten: jeden Mittwoch 17-19 Uhr
Baustelle Schaustelle Kunstpreis 2023
Janis Löhrer
Falling Into Places
Janis Löhrer, diesjähriger Gewinner des von der Baustelle Schaustelle ausgeschriebenen
Kunstpreises, präsentiert in seiner Einzelausstellung Falling Into Places eine für den Raum
erarbeitete Wandarbeit bestehend aus drei Teilen, die zusammen und unabhängig voneinander
wirken. Der Künstler setzt mit dieser Arbeit seine Beschäftigung mit einer Ästhetik der Diskretion
fort und widmet sich in unterschiedlichen Kompositionen den verborgenen Zusammentreffen und
leidenschaftlichen Handlungen schwuler Sexualität. Auf weißen Kacheln sind mit blauer Glasur
Arrangements von Einzelfiguren aufgebracht, die in Aktion mit sich selbst sind oder schamhafte
Gesten sichtbar werden lassen sowie zahlreiche Figurengruppen, Katzen und Objekte. Der
Künstler greift in diesen Malereien auf Kacheln das sogenannte Cruising auf, eine Praxis schwuler
Sexualität, in der es um die Suche nach einem zumeist anonymen sexuellen Partner an öffentlich-
zugänglichen Orten für intime Handlungen geht. Die Praxis des Cruisings reicht weit zurück und
ist Thema eines queer-feministischen Kunstdiskurses in Theorie und Praxis, der sich mit
voyeuristischen Blickregimen und visueller Kultur befasst.
Falling Into Places zeigt explizite Handlungen und implizite Blicke — vice versa, ohne dabei plakativ
zu werden. Vielmehr handelt es sich um ein sensibles Annähern durch zarte Pinselstriche an
Privates, das sich einer Öffentlichkeit in seiner Gänze entzieht: Aus Gründen der Scham, der
Unsicherheit und des Begehrens. Schönheit und Verletzlichkeit dieser Zusammentreffen fungieren
dabei als Zwischenraum, der heteronormative Annahmen über homosexuelles Miteinander ins
Wanken bringt.
Text von Katharina Bruns
29.08. bis 26.09.2023
jeden Donnerstag 17-19 Uhr (Düsseldorf)
Kinderstube der Zitronenhaie
„Während Deutschland wieder vereint wurde, blieben meine Eltern getrennt und mein Verhältnis zu Banana-Split gespalten“
Marlon Quattelbaum
Aha. Und jetzt? Künstler, Grafiker und Punk-Sänger Marlon Quattelbaum antwortet: sammeln, zerschneiden, zusammenpappen. So akkumuliert er liegengebliebene Bilderbände aus lokalen Bücherschränken — die lohnendsten sind vor bürgerlichen Kultureinrichtungen wie dem Essener Grillotheater zu finden — seziert sie mit Skalpell und beeindruckender Präzision, arrangiert sie intuitiv auf Papier. Wenn etwas fehlt, malt er es hinzu. Die Kakophonie des weiten „Draußen“ überträgt er durch einen zeitintensiven, fast obsessiv-pingeligen Prozess in Schnipsel, in eine zweidimensionale Gegenwelt mit DIN-normiertem Maß.
So sitzt die „Fette Henne“ – der spitze Kosenamen des Wappenvogels des Bundestags – mal in bester Gesellschaft zwischen dem verstorbenen Mao, Kennedy, einer jungen Angela Merkel im Cabriolet mit Guido Westerwelle und MAGGI-Hühnersuppe; mal geht sie als Maria durch den Rosen-Dornwald, begleitet von Raffaels sixtinischer Muttergottes und einer Durstlöscher-trinkenden Werbe-Madonna. Neben My Little Pony Pinkie Pie lächelt Helmut Kohl schelmisch, Wahlzettel in der Hand, über die Szene thront der „bestest boy“ ‑Schäferhund mit Lorbeerkranz und Deutschlandschleife, in der Mitte eine Reproduktion von Hans-Martin Schleiers Entführungs-Polariod. Die ausgehöhlte Trabanten-Carosserie liegt schon in der Tonne, alternativen zur alten BRD sind vergessen.
Memorable Unglücke und Explosionen, heimelige Reklame-Figuren, militärische Akteure, Pop- und Politik-Ikonen tummeln sich auf den verworrenen Schaubühnen. Mit einem rot-weißem roten Faden zurrt Quattelbaum Dinge zusammen, die irgendwie doch zusammengehören. Heilung Quasi. Zitronenhaie zeigen sich außerdem von grellen Farben angezogen. Vielleicht hatte Lousie Gluck recht, als sie dichtete: “We look at the world once, in childhood. The rest is memory.”
SU
Screening am 11.07. 19 Uhr
und am 23.07. um 20 Uhr
TEXTURES by Breanne Moreno
Breanne Moreno as an artist is a composer and educator based in Miami, FL who recently graduated with a Bachelor’s in Music Composition.
Her work TEXTURES was created in collaboration with the arts department of the Florida International University. Over the course of many weeks of preparation a performance was meticulously planned and executed which was recorded. This months screenings are the result of this joint effort and was edited and accompanied by Breanne and her sound design.
01.06. bis 29.06.
Aufsichtszeiten: jeden Mittwoch 17-19 Uhr
Künstlergespräch am 01.07. mit Domingo Chaves um 15 Uhr
In ihrem Projekt Silos konzentriert Bianca Barandun sich auf die Versprachlichung unserer Erinnerungen. Mit der Ausstellung Silos untersucht sie, ob sich das Phänomen der Erinnerung gänzlich der Sprache entzieht und ob man beim Sprechen über Erinnerungen ohne Formen und Farben auskommen kann. Zur Bearbeitung dieser Frage hat die Künstlerin Interviews geführt und die Erinnerungen verschiedener Personen aufgenommen und protokolliert. Die Befragten haben Barandun ausschließlich die visuellen Bestandteile ihrer Erinnerung geschildert, also welche Formen und Farben sie sahen. Diese Informationen wiederum dienten als Grundlage, um selbst Formen zu generieren. So schuf die Künstlerin durch die Visualisierung und das Herunterbrechen dieser Erinnerungen einen visuellen Code, eine visuelle Repräsentation der Sprache in einer Region. Dabei interessiert sich Barandun für die Zwischenzustände, wenn sich ein Zustand in einen anderen verwandelt. Dazu entstanden zwei-und dreidimensionale Arbeiten, welche materielle Um- und Verwandlungen zeigen und gleichsam Formen von einem Medium zum anderen transportieren, stets in dem Bestreben die ursprüngliche Essenz der Erinnerung beizubehalten.
Fotos: Jana Buch
SILOS // BIANCA BARANDUN // BAUSTELLE SCHAUSTELLE ESSEN
Unser Gedächtnis ist wie ein Silo, ein grosser Speicher von sozialen Interaktionen, Erfahrungen und
Erinnerungen, der stetig durch erneute Kommunikation erweitert wird. Somit verfügen wir über ein
kommunikationsfreudiges Gedächtnis, welches im Austausch mit anderen und unbewusst mit sich
selbst steht. (Klee, 2021) Aufbauend auf diesem Konzept konzentriere ich mich in meinem Projekt
‘Silos’ auf die Versprachlichung unserer Erinnerungen. Dabei interessiere ich mich für die
Zwischenzustände, wenn sich ein Zustand in einen anderen verwandelt. Dazu entstanden zwei- und
dreidimensionale Arbeiten, welche materielle Um- und Verwandlungen zeigen und gleichsam Formen
von einem zum andern Medium transportieren, stets in dem Versuch die ursprüngliche Essenz der
Erinnerung beizubehalten.
Wenn wir sprechen, formen wir etwas Gedachtes in Sprache um. Um genau diese Umwandlung von
Gedanken zu Sprache zu verbildlichen, war es mein Ziel mit mehreren Materialien und Prozessen im
Wechsel zu arbeiten. Diese Herangehensweise ermöglicht mir nicht nur das Erweitern meines
Schaffens, das Einbeziehen von mir unbekannten Materialien, um neue Prozesse kennen zu lernen,
sondern ermöglicht mir auch das Ausloten zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit. Dabei
interessiert es mich, ob ich während dieser Prozesse der Transformation von Objekten und Bildern
neue Assoziationen und Bedeutungen erschaffe.
Die Sprache ist ein grundlegender Bestandteil unseres Alltags und das wichtigste Mittel zur
Verständigung, wobei sie Identität und kulturelle Zugehörigkeit schafft. Sie drückt Emotionen,
Gefühle und rationale Prozesse aus und bildet sogleich das Fundament unseres sozialen Systems
(Dürrmeier, 2009). Sprache ist ein sich stets weiterentwickelndes, komplexes System von Lauten und
symbolischen Zeichen zum Zweck der Kommunikation, wobei jedem Zeichen des Systems eine
Bedeutung zugeordnet wird. Dies geschieht jedoch völlig willkürlich. Im Prozess der Verständigung
wirkt die Sprache als Medium zwischen dem Sprecher und dem Zuhörer und muss immer im
Zusammenhang mit dem Verstehen betrachtet werden. Folglich ist das Verstehen ein Vorgang, der die
aufgenommene Sprache ordnet, dieser Vorgang führt jedoch auch dazu, dass Sprache meist
mehrdeutig ist. Die Sprache gleicht einem Code, in den sich die Gesprächspartner eincodieren, um von
dem jeweiligen Empfänger decodiert zu werden (Duden Learnattack, 2022).
Die englische Schriftstellerin George Eliot 1860 in ‘The Mill on the Floss’ wo sie schreibt: «Ist es
nicht beklagenswert, dass sich der Verstand nur selten in der Sprache äussern kann, ohne seine
Zuflucht zu Bildern zu nehmen, so dass wir kaum je sagen können, was etwas ist, ohne sagen zu
müssen, dass es etwas anderes ist?» Weiter stellt Aleida Assmann in ihrem Buch „Erinnerungsräume:
Formen und Wandlungen des kulturellen Gedächtnisses“ fest, dass es oft nicht möglich ist, sich der
Erinnerung direkt zu nähern, und dass es eines vermittelnden Mediums wie dem Bild oder der Schrift
bedarf, um die Erinnerung lebendig zu halten und zu bewahren. Mit der Ausstellung ‘Silos’
untersuche ich, ob sich das Phänomen der Erinnerung gänzlich der Sprache entzieht und ob man beim
Sprechen über Erinnerungen ohne Formen und Farben auskommen kann. Zur Bearbeitung dieser
Frage habe ich Interviews geführt und die Erinnerungen verschiedener Personen aufgenommen und
protokolliert. Die Befragten haben mir ausschließlich die visuellen Bestandteile ihrer Erinnerung
geschildert, also welche Formen und Farben sie sahen. Diese Informationen wiederum dienten mir als
Grundlage, um selbst Formen zu generieren. So schuf ich durch die Visualisierung und das
Herunterbrechen dieser Erinnerungen einen visuellen Code, eine visuelle Repräsentation der Sprache
in einer Region.
Die Tonaufnahmen aufgenommen auf Hochdeutsch in Deutschland stehen den Aufnahmen gegenüber,
die ich in der Schweiz auf Schweizerdeutsch aufgenommen habe, sodass sich ein Vergleich zwischen
den regional verwendeten Codes anstellen lässt. Meine Annahme ist, dass Sprache nicht nur die
Identität, sondern auch die Erinnerung beeinflusst. Ähnliches könnte also auch für die Region gelten,
in der man lebt.
Meine Arbeiten befinden sich an der Schnittstelle von Druckgrafik, Zeichnung und Skulptur wobei ich
verschiedene Techniken, Materialien und Prozesse miteinander kombiniert. Mein Schaffen basiert oft
darauf mittels Druckprozessen an der Wand hängende Skulpturen herzustellen, wobei das Papier
durch Keramik ausgetauscht wird. Ferner basiert genanntes Verfahren auf der traditionellen
Druckgrafik, die entwickelt wurde, um Schriften oder Bilder zu vervielfältigen, um Informationen
weiterzutragen und zu kommunizieren. Meine Arbeiten bewegen sich von organischen zu
geometrischen Erscheinungen und erzeugen vielfältige Assoziationen, während sie mit
anthropomorphen Attributen spielen.
Mein Ziel ist es, eine vielschichtige und intuitive visuelle Sprache zu entwickeln, welche es vermag
komplexe und emotionale Themen mittels Formen, Farben und Linien zu transportieren. Diese
Sprache, welche sich geprägt durch Rhythmus und Fluss durch meine Arbeiten zieht, soll sowohl
unvollkommene als auch irreguläre und unerwartete Zustände als Bruchstücke eines wachsenden
Vokabulars miteinbeziehen.
02.05. bis 30.05.
jeden Donnerstag 17-19 Uhr
Die Selbsttransformation ist meine Methode um den Naturphänomenen wie Pflanzen, Tieren usw. zu begegnen, mit ihnen zu kommunizieren und ihr Wesen zu verstehen. In meinen Arbeiten versuche ich, das Wesen der Dinge durch diese Methode zu erleben und in einem Bild festzuhalten. Manchmal gelingt es mir jedoch nicht, dieses Wesen auch in Worte zu fassen. Dann entstehen seltsame Kreaturen, die Ausdruck für das Unbenennbare sind. Diese Kreaturen sind von den japanischen 妖怪、(yōkai) inspiriert.
In meiner aktuellen Arbeit beschäftige ich mich mit der Frage, was ein Name eigentlich ist. Steht er fest oder kann er sich ändern? Ist er abhängig von einer bestimmten Situation oder immer klar definiert? Ich versuche das Verständnis zu erweitern, was ein Name sein kann. Ich bin gespannt, zu welchen neuen Motiven mich die visuell darstellende Auseinandersetzung mit dieser Fragestellung führt.
Takashi Sonoda
Fotos: Jana Buch
13.04. - 14.05.
Aufsichtszeiten: jeden Mittwoch 17-19 Uhr
Steine
Seit mehreren Milliarden Jahren ist der Stein in einem Lehmmagma aus mehreren Konkretionen eingeschlossen, meistens mitten in einer Gangmasse, die seine erste Einbettung ist, aber auch gleichzeitig der erdrückende Schutz gegen einen künftigen Blick. Dort ruht er, bewegungslos. Und plötzlich bringen ihn klimatische Schwankungen, Abtragungen, unsichtbare Bewegungen, kantige Erdrisse oder irgendwelche Ausgrabungen zutage. Er taucht auf und zeigt seine Nase, neugierig auf eine Welt, die er nicht kennt oder nur von unten kennt. Es sieht so aus, als würde der Stein wachsen.
Man hätte es dabei belassen können : ihm einen Tritt geben, ihn wegwerfen, ihn ein Stück weiterschieben. Oder, vielleicht noch bedauerlicher, ihn gar nicht bemerken.
Olivier Thillaye will es dabei nicht belassen. Ich glaube, er sieht den Stein nachdenklich an.
So erfasst er ihn dann auch mit einem blossen Blick : seine Form, seine Farbe, seine Struktur sprechen ihn an. In diesem Augenblick hebt sich der Stein von den anderen ab, und Olivier fotografiert ihn in seiner angestammten Umgebung. Aus der Tiefe der Erde, chthonisch, in Kälte erstarrt !
Dieser Blick verleiht ihm Grossartigkeit, weil er unmittelbar und vor allem ohne Voreingenommenheit und ohne a priori ist. Ich würde sagen, ohne intellektuelle Verdichtung. Schnell schon wird ihm dieser Stein vertraut. Er eignet sich ihn nach und nach an, und der Prozess der „Sakralisierung“ beginnt. Von einem einfachen mineralischen Objekt : Kalk, Granit, Schiefer, verwandelt er sich, seit er in seinem ursprünglichen Milieu entdeckt wurde, unmerklich in ein Kleinod von ungestalter Reinheit. Massiv und doch leicht, lichtundurchlässlich und zugleich durchscheinend, matt und gleichzeitig glänzend.
Er reinigt ihn häufig und wiegt ihn in seiner hohlen Hand oder in seiner Tasche. Er macht ihn sich zu eigen; macht sich mit ihm vertraut, webt ein seltsames und festes Band zwischen ihm und sich, als ob der Stein ihn durchwirken würde mit seinem Stein-Sein und er ihn mit seinem Fleisch und Blut und seiner eigenen Geschichte. Ein langer Prozess beginnt: er fängt an, ihn zu fotografieren, zu zeichnen, ihn wie eine Trophäe auszustellen. Der Stein, er, der in der absoluten Dunkelheit seiner zeitlosen Umgebung eingeschlossen war, wird Blickpunkt aller Augen. Aus seiner Unscheinbarkeit, in deutlichem Kontrast zu Diamanten und Edelsteinen, hat ihn der Künstler herausgeholt und so seine natürliche Herkunft künstlich noch stärker verherrlicht. Paradox…
Also überzeichnet er seine Ausmaße, verleiht ihm Leben, provoziert ihn auch! Der Stein wird zum Kunstobjekt. Seine ästhetischen Prädispositionen liegen offen zutage, seine Winkel, sein jeweiliger Schliff, seine Ecken und Kanten, seine überraschenden Farben, seine verborgenen und plötzlich zum Vorschein tretenden Formen offenbaren sich in einer Art emotional ‑brutaler Wahrheit, schmucklos, ohne Zusätze, ohne Arrangements.
Mir scheint, der Künstler erlebt ein unerwartetes Bedürfnis : das Bedürfnis nach einer Art von Tranzendenz, die sich aus zahlreichen, unterschiedlichen und unzertrennbar gewordenen Erscheinungsformen herleitet. Olivier Thillaye will mit seinen Zeichnungen, Fotografien und Ortsangaben nichts erklären: sie sind eine Wertschätzung, eine Art von Gedenken; eine unaufdringliche Form, ein unscheinbares steinernes Grabmal ins Licht zu setzen und so für unseren Blick frei zu legen. Kurz gesagt, sie sind keine Beigabe zum Verständnis, sondern sie laden uns ein, das zu sehen, was wir nicht gesehen hatten, was wir mit Füßen getreten, zur Seite geschoben, wegzuschaffen versucht hatten. Etwas, dem wir niemals Beachtung geschenkt hatten.
Seht, was ihr verpasst habt, Wanderer und Spaziergänger! Seht, wie Schönheit — naturbedingt verborgen — eben dort möglich ist, wo sie auftritt, wo sie unter euren Füßen liegt, hervorgegangen aus den Tiefen der Erde!
Das Werk wird dann zu einem Ganzen. Es besteht aus dem Stein selbst, seiner Fundstelle, seinem Foto und seiner Zeichnung. Stein ist von nun an Stein, weil Olivier Thillaye es so wollte! Weil der Stein es dulden ließ. Oder anders gesagt, weil er für einen Blick geschaffen war, der entschieden hatte, dass es so sein sollte. Sicherlich heute auch der eurige.
Man könnte sagen, Olivier Thillaye entdeckt den Stein, wie man einen Schatz entdeckt.
Text: Bruno Lavillatte